Digitale Unterstützungssysteme – eine Chance für ältere und hilfsbedürftige Menschen
Neuigkeit • von Dirk Keil
„Es gibt Hausnotrufsysteme, wo Ältere um Hilfe rufen können, wenn sie in ihrer Wohnungen stürzen. Diese Systeme helfen schon heute, sicherer und länger in der eigenen Wohnung leben zu können. Das sind gute Anfänge, aber in digitalen technologischen Unterstützungssystemen liegt noch eine Riesenchance“, sagt Gabriele Beier, Mitarbeiterin im Fachbereich Wirtschaft und Soziales der Hansestadt Lübeck. Andere Möglichkeiten sieht sie beispielsweise auch in der Nutzung der digitalen Medikamentenbox. Bei allen technologischen Entwicklungen aber ist es „wichtig, die Nutzer*innen mitzunehmen, und sie über die Pros und Contras dieser Entwicklungen aufzuklären. Dabei müssen alle beteiligten Akteure eng zusammenarbeiten – immer im Interesse der Patient*innen.“
Gabriele Beier hat Erfahrung in diesem Gebiet, denn sie betreut die Umsetzung des kommunalen Gesamtkonzepts Leben und Wohnen im Alter – Älter werden in Lübeck.
Zwei Modellprojekte in Lübeck
Dieses kommunale Konzept wurde im Auftrag der Lübecker Bürgerschaft vor dem Hintergrund des demografischen Wandels entwickelt. Es geht davon aus, dass das Wohnen mit zunehmendem Alter an Stellenwert gewinnt, denn die im eigenen Wohnraum verbrachte Lebenszeit nimmt immer mehr zu. Um Voraussetzungen für ein möglichst langes und selbstbestimmtes Leben älterer Menschen in der eigenen Wohnung und im vertrauten Wohnquartier zu schaffen, wird ein Netz von aufeinander abgestimmten Infrastruktur-, Beratungs-, Unterstützungs-, Kommunikations- und Präventionsangeboten benötigt. Deshalb hat die Hansestadt Lübeck u.a. zwei Modellprojekte gestartet: Die Wohnberatungsstelle „Wohnen im Alter“ und das Projekt „Präventive Hausbesuche“.
Wohnen im Alter
Die Beratungsstelle „Wohnen im Alter“ ist eine zentrale Anlaufstelle für ältere Menschen, die zudem auch als Anlaufpunkt für Angehörige, die Nachbarschaft und Institutionen im nahen Umfeld dient. Bei diesem Projekt arbeiten der Bereich Soziale Sicherung der Hansestadt Lübeck, die vier größten regionalen Wohnungsunternehmen, eine Grundstücksgesellschaft und der Mieterbund Lübeck zusammen. Im August 2020 gründeten diese Partner den Verein „Wohnen im Alter e.V.“. Der Verein berät ältere Personen und ihre Angehörigen zu Fragen von Barrierefreiheit, technischen Hilfsmitteln, Umbaumaßnahmen und Finanzierung.
Beschäftigte der Wohnungsunternehmen werden zu zertifizierten Wohnberater*innen ausgebildet und stehen in der Beratungsstelle für Auskünfte zur Verfügung: „Die Wohnberatung steht allen Interessierten offen, veranstaltet Gruppeangebote, Führungen durch die Ausstellung, Vorträge rund um das Thema Älter werden und nimmt an Messen teil. Der Leitgedanke dabei ist, den vorhandenen Wohnraum an altersgerechte Bedarfe anzupassen“, so Frau Beier.
Allerdings behinderte die aktuelle Corona-Situation die Arbeit des neu gegründeten Vereins, da einerseits ein physisches Zusammenkommen der Akteure kaum möglich war, andererseits aber virtuelle Treffen für viele geplante Aktivitäten ungeeignet waren: „Wir warten nun deshalb bis April oder Mai – auch weil sich durch Corona neue Schwerpunkte im Bereich Digitalisierung und neue Technologien auftaten.“ Gabriele Beier verweist hier auf das Problem, „dass man bestimmte Gruppen von älteren Menschen mit digitalen Medien gar nicht erreicht“, und dass es genau deshalb wichtig sei, bei der Anwendung neuer Technologien und der Digitalisierung immer darauf zu achten, „die Nutzer einzubinden. Es muss für diese leicht zugänglich sein!“
Präventive Hausbesuche
Im Projekt „Präventiven Hausbesuche“ erhalten Senior*innen des Lübecker Stadtteils Moisling ab dem 65. Lebensjahr auf Wunsch drei Hausbesuche von ausgebildeten Fachkräften. Diese Fachkräfte wirken als Lotsen und informieren in vertraulichen, kostenfreien und trägerneutralen Gespräche über bestehende Hilfs- und Unterstützungsangebote vor Ort. Ziel ist es, den Senior*innen dabei zu helfen, so lange wie möglich eigenständig im vertrauten Umfeld zu leben und dort am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. In den Gesprächen können Sorgen, Ängste ebenso angesprochen werden, wie gesundheitliche Präventionsmöglichkeiten oder praktische Fragen zur Anpassung der Wohnung an die Lebenssituation im Alter.
Bei diesem Modellprojekt kooperieren der Bereich Soziale Sicherung und das Gesundheitsamt der Hansestadt Lübeck mit sechs Krankenkassen, der Forschungsgruppe Geriatrie am Krankenhaus Rotes Kreuz Lübeck sowie der Caritas Lübeck, welche die Besuche vor Ort durchführt.
Das Potential technologischer Entwicklungen und internationaler Zusammenarbeit
Technologische Entwicklungen bergen ein wachsendes Potential, ältere, kranke oder auch Menschen mit Behinderungen darin zu unterstützen, möglichst lange selbständig und selbstbestimmt zu leben. Technische Assistenzsysteme aus der Medizin- und auch Sicherheitstechnik und ebenso Smart-Home-Technologien bieten vielfältige Lösungen in verschiedenen Anwendungsgebieten: Systeme, welche die Sicherheit Zuhause erhöhen (Notrufsysteme, Sturzerkennung, Brandschutz, intelligente Türöffnungs- oder Beleuchtungssysteme), Erleichterungen in der Haushaltsführung und die gesundheitlich-pflegerische Versorgung (Vitaldatenmessung, Telemonitoring, Telemedizin und Telepflege). Alle diese altersgerechten digitalen Assistenzsysteme können zu einem möglichst langen Leben in der eigenen Wohnung beitragen.
Transnationale Forschungskooperationen wie das deutsch-dänische Interreg-Projekt NorDigHealth wiederum helfen, neue Methoden und neue Produkte aus verschiedenen nationalen Perspektiven zu testen und den Wissensstand zu erweitern. Darüber hinaus werden hier öffentliche, halböffentliche und private Akteuren aus der Gesundheitsbranche miteinander vernetzt, und es werden grenzübergreifende Win-Win-Effekte erzielt.